So, so:

Der selbstlernende Algorithmus AlphaZero aus dem Hause des Google-Unternehmens DeepMind gewinnt gegen das bisher spielstärkste und als nahezu unbesiegbar geltende Schachprogramm Stockfish. Ein Schachcomputer schlägt also einen weiteren.

Eine Maschine mit Namen Sophia, die aussieht wie ein Mensch, wird gerne auf Talkshows eingeladen, um Kommunikation mit Menschen zu trainieren. Leider entfuhr Sophia in einem Gespräch mit David Hanson, dem Hersteller von Sophia, eine Bestätigung der wohl scherzhaft gemeinten Frage, ob sie die Menschheit vernichten wolle.

Superschnelle Quantencomputer werden entwickelt (erster kommerzieller Quantencomputer von IBM: IBM Q System One, Anfang 2019), die derzeitige Rechenleistungen um ein Vielfaches erhöhen und somit Rechenaufgaben lösen können, für die die heute besten Computer Jahre bräuchten.

Und wir Menschen sind angesichts dieser Entwicklungen schwer beeindruckt, sogar eingeschüchtert und fragen uns fast angsterfüllt, ob unser, im Vergleich so deutlich unvollkommenes menschliches Leben und Tun (noch) einen Sinn hat bzw. welchen Sinn es haben könnte oder ob wir nicht einfach wegrationalisiert werden könnten.

Als eine, die in einem Computerzentrum in einer Hochschule arbeitet, dort die Betreuung der die Informationstechnologie nutzenden Menschen bei Anwendungs-Fragen und Funktionsstörungen der Technik vornimmt, möchte ich gerne an dieser Stelle meine Innenperspektive als Anregung zu Selbstbewusstsein und Empowerment weitergeben.

Meine Erfahrung mit Technik, Maschinen und Programmen an der fragilen Schnittstelle Mensch-Maschine zeigt mir, dass keine Maschinen dauerhaft laufen, wenn nicht Menschen permanent dafür sorgten, dass sie laufen. Technik, also im Falle der IT Hardware-Technik (Geräte wie PCs, Laptops, Drucker, Netzwerkgeräte, Netzwerkverbindungen, Kabel usw.) und Software-Technik (Programme wie Betriebssysteme, Datenbanken, Anwenderprogramme) müssen konzipiert, entwickelt, produziert, eingebaut, auf die speziellen Nutzungsbedürfnisse angepasst und eingerichtet, gewartet, gepflegt, gereinigt, repariert, ausgetauscht, entsorgt, weiterentwickelt, neu angeschafft werden. Sowohl die einzelnen Geräte als auch die darauf laufenden Programme als auch beides als Gesamtkonstrukt müssen zusammen funktionieren, damit sie für Menschen nutzbar sein können. Und das ist für meine Begriffe der Sinn von Technologie: Für Menschen nutzbar zu sein und Unterstützung für menschliche Arbeit und Anliegen anzubieten. Maschinen, Technik, Programme sind Werkzeuge des Menschen, es gibt keinen Selbstzweck von Maschinen. Und sicher könnten einzelne bzw. alle Arbeitsschritte in der Nutzbarmachung von Technik für Menschen theoretisch vollständig automatisiert werden, so das Menschen als Arbeitskräfte wegrationalisiert werden könnten. Es gibt Branchen wie die Automobilindustrie, in denen das schon längst geschieht und selbstreparierende Geräte oder komplett autonom arbeitende Geräte mit nur einzelnen Personen als Überwachung zum Einsatz kommen. Für bestimmte Arbeitsbereiche macht dies aus meiner Sicht auch Sinn, nämlich z.B. wenn es darum geht, physisch anstrengende Arbeiten für Menschen leichter zu machen und Zeit für interessante, sinnvolle Tätigkeiten außerhalb von Erwerbsarbeit zu gewinnen. Seit Erfindung von technischen Anwendungen waren dies Ziele, die aber leider nie so umgesetzt worden sind.

In anderen Arbeitsbereichen scheint es mir schwierig, eine vollständige Automatisierung in der Produktions- und Anwendungskette von Technik herzustellen, wie z.B. in der Produktion von IT-Hardware, die ja u.a. zwingend auf seltene Erden angewiesen ist, die mühsam unter ausbeuterischen und gesundheitsgefährdenden Bedingungen durch billigste Arbeitskräfte in Ländern mit menschenrechtsverletzenden politischen Regimen erschlossen werden, ganz zu schweigen von der Entsorgung von alter Technik, für die es bis heute keine technische und ökologische Lösungen gibt. Sicher wäre eine Vollautomatisierung auch an diesen Stellen theoretisch irgendwann einmal möglich, doch allein der Aufwand hierfür wäre enorm und scheint mir eine ziemlich weit entfernte, wenn nicht gar völlig unrealistische Zukunftsperspektive. Mal abgesehen davon, dass überhaupt kein politisches und wirtschaftliches Interesse daran besteht, Technik sozial verträglich und ökologisch nachhaltig zu produzieren, zu verwenden und zu entsorgen. Das Ziel der Entwicklung von Technik und immer neuer, „besserer“ Technik ist nicht etwa die Verbesserung von Lebensbedingungen von Lebewesen dieser Erde oder die Erhaltung der Erde an sich, sondern zum größten Teil wirtschaftlicher Natur, vor allen Dingen ein Interesse kapitalistisch wirtschaftenden Unternehmen. Warum nur erinnert mich dies an die Entwicklung von Atomkraft zur Energiegewinnung und die flächendeckende Einführung von Atomkraftwerken vor Jahrzehnten gegen alle Widerstände der Bevölkerung und wider besseren Wissens in Bezug auf die ökologischen Konsequenzen? Und wo bleibt eigentlich heutzutage der massenhafte Widerstand gegen die umweltzerstörende Produktion und den menschenverachtenden Einsatz von Informationstechnik?

Es ist kompliziert, das Verhältnis von Mensch zu Technik, also unser persönliches Verhältnis zu den vielen neuen (und alten) Geräten und Programmen, die die IT in den letzten Jahrzehnten auf den Markt geworfen hat: PCs, Laptops, Handys, Haushaltsroboter, Pflegeroboter, smarte Geräte, Social Media Programme, Computerspiele, Gesundheitsapps. Für alle unsere menschlichen Bedürfnisse und Probleme kann scheinbar eine technische Lösung entwickelt werden, um diese Bedürfnisse zu stillen und Probleme zu lösen. Computertechnologie dient längst nicht mehr nur unserer Unterstützung in der Arbeitswelt, sondern sie ist allgegenwärtig, bestimmend, notwendig in Freizeit und Beziehungen. Wir sind abhängig von Technologie, ohne sie geht (fast) nichts mehr und wir nehmen dies nur zu gerne an, ja, Computer sind unsere „best friends“.

Jedoch sollten wir uns nichts vormachen: Maschinen können Menschen und ihre gesamte Bandbreite an Lebens- und Seinsäußerungen vielleicht simulieren, sie können so tun also ob: sie mit uns in Kontakt treten könnten und auf unsere Kontaktversuche emphatisch reagierten, sie Emotionen hätten und emotionale Bindungen zu uns aufbauen könnten, sie intelligent seien und dazulernen könnten. Maschinen können all dies simulieren, vortäuschen, sie können dies aber nur, weil Menschen sie dementsprechend programmiert haben. Maschinen haben keine Möglichkeit, Lebenserfahrungen zu sammeln, Gefühle zu erleben, sie können keine intelligente Entscheidungen aufgrund eines Erfahrungshintergrundes treffen. Maschinen tun lediglich so als ob, und wir Menschen lassen uns nur zu gerne blenden. Hinter jeder Maschine steht ein Team von Menschen, die sie programmiert hat. Maschinen, Programme, Algorithmen sind die Abbilder menschlicher Vorstellungen, Ideen, Utopien. Sie können Abbild menschlicher innerer Abgründe ebenso wie möglicher zukunftsweisender Visionen sein. Algorithmen tun das, was Menschen wollen. Algorithmen „wissen“ und können nicht alles, Algorithmen können (bestenfalls) berechenbare Probleme lösen.

Das Leben jedoch zeichnet sich dadurch aus, dass es in weiten Teilen unberechenbar, unvorhersehbar, unverfügbar und unkontrollierbar ist. Wenn Menschen es tatsächlich schaffen sollten, durch Technologie das Leben in berechenbare und informationstechnisch lösbare Probleme zu zerlegen, zu verflachen, darauf zu reduzieren, dann ist das Leben Tod.

Ich plädiere dafür, nachzudenken über den Preis, den wir für Technologie-Entwicklung und Nutzung zahlen, darüber ins Gespräch zu kommen und entsprechende Entscheidungen zu treffen, denn wohin wir mit der ganzen Technologie wollen, wie abhängig wir uns davon machen, welchen Stellenwert wir ihr in unserem individuellen und im gesamtgesellschaftlichen Leben einräumen, haben wir, jede einzelne von uns, selbst in der Hand. Wir müssen uns schlau machen, informieren, unsere Stimme erheben und unseren Standpunkt kundtun, uns einmischen, unsere Interessen vertreten, nicht alles einfach hin- und übernehmen und mitmachen, prüfen und abwägen, was wir wirklich benötigen, nein sagen und ablehnen, was nicht gebraucht wird, uns ermächtigen, widerständig sein, einfallsreich, mutig, mit einem Wort: menschlich.

Ute K. 2019

Welche mehr erfahren möchte:

Schachcomputer

https://www.spektrum.de/news/kuenstliche-intelligenz-schlaegt-besten-schachcomputer-der-welt/1524575

https://www.welt.de/sport/article171541557/Kuenstliche-Intelligenz-beendet-menschliche-Dominanz.html

Sophia

Sophia im Gespräch mit David Hanson:

https://www.youtube.com/watch?v=W0_DPi0PmF0

Sophia erhält saudi-arabische Staatsbürgerschaft:

https://www.youtube.com/watch?v=MGbFURj604k

Quantencomputer

https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/ittk/quantencomputer-ein-quaentchen-realitaet/

https://www.heise.de/newsticker/meldung/Uni-Innsbruck-vs-IBM-Co-Aufholjagd-bei-Quantencomputern-4321022.html

Seltene> Erden und (un-)faire Technik-Produktion

 

https://www.ekir.de/www/mobile/service/fairer-pc-17602.php

https://brotfueralle.ch/thema/fairer-konsum/faire-it-produktion/

Algorithmen und KI

Es gibt keine fehlerfreien und neutralen Algorithmen:

https://www.heise.de/tr/blog/artikel/Bin-ich-schoen-4374816.html

Sebastian Stiller: Planet der Algorithmen. Versteht sie, bevor sie euch verstehen. Knaus, München, 2015.

Futurzwei, Magazin für Zukunft und Politik: Künstliche Dummheit. Nr. 7, 2019